Original scientific paper
Crimen adulterii – Postklassische Neuerungen
Ivana Jaramaz Reskušić
Abstract
Anhand der Analyse relevanter kaiserlicher Konstitutionen werden in dieser Arbeit Inhalt und Ziel der im Zeitraum zwischen Konstantin und Justinian im Vergleich zur augusteischen bzw. klassisch-rechtlichen Regelung des crimen adulterii eingetretenen Änderungen dargestellt und erklärt. Im ersten Teil der Arbeit werden die Veränderungen beim Recht auf Erhebung der Anklage für die Straftat des Ehebruchs (accusatio adulterii) dargestellt. Ausgehend von der am 25. April 326 verkündeten konstantinischen Konstitution als Hauptrechtsquelle, wird festgestellt, dass der Kaiser den geschädigten Ehemann zum Hauptbeschützer der Ehe (genialis tori vindex) erklärte und ihn im Fall eines flagranten Ehebruches der Frau mit dem Recht der Hauptanklage für den Ehebruch (accusatio adulterii iure mariti) ausstattete, wobei das Recht der Erhebung einer subsidiären Anklage (accusatio adulterii) auf einen engen Kreis der nächsten Verwandten der Ehebrecherin (proximis necessariisquae personis) beschränkt wurde. Konstantin ging in seinen Neuerungen noch einen Schritt weiter und führte erstmals die Anklage ex suspicione ins römische Strafrecht ein, indem er dem Ehemann das privilegierte Recht gewährte, bei Verdacht auf den Tatbestand eines Ehebruchs seine Frau zu beschuldigen, ohne zugleich der verfahrensrechtlichen Auflage der Unterbreitung einer schriftlichen und argumentierten Anklage (inscriptio), bei Freispruch der Haftbarkeit für Verleumdung (calumnia) und der gültigen gesetzlichen (augusteischen) Verpflichtung der vorherigen Ehescheidung (divortium) zu unterliegen. Diese strafrechtliche Politik setzte Konstantin auch fünf Jahre später fort, als er mit unbekanntem Datum im Jahr 331 die Rechtfertigungsgründe für eine einseitige Eheauflösung (repudium ex iusta causa) festlegte. Dadurch dass das Recht des Ehemannes auf einseitige Ehescheidung von der Verurteilung der Ehefrau wegen Ehebruchs abhing, schuf der Kaiser eine zusätzliche Motivation für die Anklagefreudigkeit des betrogenen Ehemannes, der das Recht hatte, bei erfolgreichem Ausgang der Anklage wegen Ehebruchs ohne Furcht vor vermögensrechtlichen Sanktionen bei einer neuen Eheschließung die gesamte Mitgift der Ehefrau zu behalten. In diesem Teil werden weiterhin die Änderungen dargestellt, durch die Justinian die begonnenen Reformen fortführte und die augusteische Handhabung der accusatio adulterii endgültig aufhob. Seine Novelle 117 aus dem Jahr 542 schreibt so abschließend die Regel fest, dass die Anklage wegen Ehebruchs die Ehe nicht auflöst, doch das Recht, die accusatio adulterii gegen die ehebrechende Frau zu erheben, der freien Entscheidung des Mannes überlassen bleibt, ebenso wie das Recht, das ihm in der Novelle 134 aus dem Jahre 556 zuteil wurde, nämlich der Ehefrau zwei Jahre nach ihrer Verurteilung als Ehebrecherin zu vergeben und die eheliche Gemeinschaft mit ihr fortzuführen. In seinem Bestreben, der Ehe möglichst viel Stabilität zu verleihen, machte Justinian in seiner Novelle 134 das privilegierte Recht des Ehemannes auf die accusatio ex suspicione einerseits davon abhängig, dass dieser dem vermutlichen Ehebruchsbeteiligten zuvor drei schriftliche (und mit Zeugnissen belegte) Warnungen hat zukommen lassen, und schrieb andererseits vor, dass im neuen (expeditiven) Verfahren die Tatsache des Zusammenlebens der nicht verurteilten Ehebrecher als ausreichender Beweis für die Verurteilung ihres dauerhaften ehebrecherischen Verhaltens gilt. Im zweiten Teil der Arbeit werden die Änderungen im Bereich der Repression der Straftat des Ehebruchs dargelegt. Es wird festgestellt, dass Konstantin wahrscheinlich vor 313 die Todesstrafe durch Enthauptung mit dem Schwert (gladio puniri) für eindeutig nachgewiesene Täter eines Ehebruchs einführte. Eine solche strafrechtliche Politik vervollständigten die späteren Kaiser durch Erlass der althergebrachten poena cullei oder der Verbrennung auf dem Scheiterhaufen mit einer abschreckend-disvasiven Erhöhung der Grausamkeit sowie durch die Beispielhaftigkeit der öffentlich vollzogenen Bestrafung. Bezug nehmend auf die majorianische Novelle 9 aus dem Jahre 459 wird festgestellt, dass die äußerste verschärfte gesetzliche Ahndung des Ehebruchs einherging mit der Ausdehnung des Rechts des Ehemannes auf straffreie Tötung (ius occidendi) beider Ehebruchsbeteiligter. Die endgültige, aber gänzlich neue –geschlechtsbezogen distinguierte und strafrechtlich individualisierte – Regelung der Bestrafung führte Justinian mit seiner Novelle 134 ein. Der Kaiser differenzierte die strafrechtliche Behandlung des männlichen und des weiblichen Ehebruchsbeteiligten und bestätigte die auf Konstantin zurückgehende Todesstrafe durch das Schwert für den Mann, führte aber für die Frau als völlig neue Form der Bestrafung mit expiatorisch-emendatorischem Charakter die vom Verlust sämtlichen Vermögens begleitete Klosterhaft ein. Durch die Vorschreibung der zeitlich begrenzten Möglichkeit der Vergebung seitens des Ehemannes als zusätzliches Element der Strafmilderung für die verurteilte Ehebrecherin einerseits und durch die Erneuerung des Rechts des Ehemannes auf die ungestrafte (eigenhändige) Tötung der an den für den Vollzug des Ehebruchs geeignetsten Orten angetroffenen Beteiligten als außergerichtliches Element der verschärften Ahndung andererseits zeigte Justinian, dass er durch eine raffinierte Strafpolitik in Bezug auf den Ehebruch, basierend auf einer generellen Prävention, die neben Spuren von Retribution und Rache die Funktion der Abschreckung und der Besserung der Täter subsumiert, den größtmöglichen Schutz für die ehelichen Beziehungen und die öffentliche Moral anstrebte.
Keywords
crimen adulterii; accusatio adulterii; accusatio ex suspicione; ius occidendi; postklassisches römisches Strafrecht; repudium; Konstantin; Justinian
Hrčak ID:
5106
URI
Publication date:
20.6.2006.
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