Original scientific paper
Verpflichtungsgrund und verwandte Institute des vergleichenden Rechts
Saša Nikšić
Abstract
Das Institut des Verpflichtungsgrundes (causa obligationis) stammt aus dem Römischen Recht und steht im engen Zusammenhang mit dem mündlich gegebenen Leistungsversprechen (stipulatio). Mündlich gegebene Leistungsversprechen (stipulationes) als wichtigste Art der Verträge im Römischen Recht waren abstrakter Natur. Die Abstraktheit mündlich gegebener Leistungsversprechen stellte für den Gläubiger einen großen Vorteil, für den Schuldner jedoch zugleich einen Nachteil dar, weil dadurch die Erhebung von Einsprüchen seitens des Schuldners verhindert wurde, die es dem Schuldner erlauben würde, die Verpflichtung aus dem mündlich gegebenen Leistungsversprechen abzustreiten. Da die Gläubiger diesen Umstand missbrauchten, wurde mit der Zeit der abstrakte Charakter des mündlich gegebenen Leistungsversprechens aufgegeben, so dass nach dem Recht Justinians ein mündlich gegebenes Leistungsversprechen unwirksam war, wenn darin der Grund der Verpflichtungsübernahme nicht angegeben wurde, oder wenn, mit anderen Worten, die Rechtsgrundlage der Verpflichtung nicht existierte.
Die erste Kodifikation des Zivilrechts, in der der Verpflichtungsgrund als Erfordernis für die Wirksamkeit des Vertrags festgesetzt wurde, war das französische Zivilgesetzbuch. Doch unterschied sich das französische Recht Anfang des XIX. Jahrhunderts in einigen seinen Teilen bedeutend vom Römischen Recht, so dass die Notwendigkeit der Einführung des Verpflichtungsgrundes als Teilbereich der allgemeinen rechtstheoretischen Erfordernisse ernsthaft in Frage gestellt wurde. Der Streit um die Rolle des Verpflichtungsgrundes erschütterte die Glaubwürdigkeit dieses Rechtsinstituts. Dies beeinflusste auch die Entscheidung, den Verpflichtungsgrund als Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrags im deutschen Zivilgesetzbuch wegzulassen. Doch da der Verpflichtungsgrund tief im Vertragsrecht verankert ist und ein Merkmal eines Großteils moderner Rechtsordnungen darstellt, nimmt der Verpflichtungsgrund sowohl in der deutschen als auch in anderen germanisch geprägten Rechtsordnungen seinen Platz ein. Im Unterschied zum französischen Recht ist der Verpflichtungsgrund in den germanisch geprägten Rechtsordnungen häufig eine Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrags. Nach einigen Meinungen ist der Verpflichtungsgrund in den germanisch geprägten Rechtsordnungen durch die Institute des Rechtsgrundes und der Geschäftsgrundlage festgelegt. Dem ist jedoch nicht so, denn der Rechtsgrund stellt keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrags und anderer Rechtsgeschäfte dar, sondern ist, abhängig davon, ob in einer bestimmten Rechtsordnung das Institut des kausalen bzw. des abstrakten Erwerbs besteht, eine Voraussetzung für den Erwerb subjektiver Bürgersrechten. Auch die Geschäftsgrundlage stellt keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts dar, sie kann jedoch mit dem Verpflichtungsgrund aus dem französischen Recht in Verbindung gebracht werden, weil sich die Anwendungsbereiche beider Rechtsinstitute teilweise decken.
In den Rechtsordnungen des common law wird für die Klagbarkeit der Verpflichtung aus dem Vertrag consideration vorausgesetzt. Dieses Institut weist mit Rücksicht auf den Begriff und hinsichtlich seiner Funktion zahlreiche Berührungspunkte mit dem Institut des Verpflichtungsgrundes auf.
Keywords
Verpflichtungsgrund; Vertragsgrund; consideration; Rechtsgrund; Geschäftsgrundlage
Hrčak ID:
5107
URI
Publication date:
20.6.2006.
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