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Original scientific paper

https://doi.org/10.21857/ydkx2co5l9

Das kroatische Jat-Phonem und seine Allophone in der kroatischen Standardliteratursprache: Geschichtlicher Überblick und phonologische Systematik

Leopold Auburger orcid id orcid.org/0000-0001-6122-0662


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Abstract

In dem Artikel werden einerseits die in der gesamtkroatischen Literatursprache standardmäßig geltenden (i)jekavischen ‘Reflexe’ bzw. ‘Nachfolger’ des altkirchenslavischen Jat-Phonems (geschrieben: ije, je, jē) auf ihren rekonstruierbaren Ursprung im Indogermanischen und ihre rekonstruierbare nachfolgende Entwicklung im Urslavischen, Altkirchenslavischen und späteren Kirchenslavischen, sowie im Kroatischen zurückverfolgt. Andererseits werden diese ‘Jat-Reflexe’ unter Berücksichtigung der seit dem 19. Jh. bis in die Gegenwart in der Kroatistik anhaltend geführten, vielfach kontroversen Diskussion phonologisch als Allophone eines eigenen Jat-Phonems erklärt (/ě/ bzw. /ѣ/: [ɪ̆e], ['e], ['ē]). Hierbei werden insbesondere die phonologischen Erkenntnisse von Dalibor Brozović berücksichtigt, wobei aber dessen Verständnis dieser ‘Jat-Reflexe’ als Phonem bzw. Phonemfolgen dahingehend korrigiert wird, dass diese als Allophone eines eigenen Jat-Phonems (/ě/ bzw. /ѣ/) interpretiert werden.
Eine wichtige geschichtliche Quelle für die phonologische Erklärung und phonetische Beschreibung des Jat-Phonems und seiner Allophone sind die jeweiligen lautlich-transkriptorisch interpretierbaren Alphabete der Glagolica, Kyrillica und kroatischen Lateinschrift, weshalb diese ausführlich, soweit es das Jat-Phonem betrifft, dargestellt werden. Zu diesem Zweck wird auch die Fibel Bukvar staroslovenskoga jezika glagolskimi pismeni za čitanje crkvenih knjig von Ivan Berčić (1862) ausgewertet, in der u. a. das tautosyllabische, diphthongale Jat-Allophon [ɪ̆e] ausdrücklich als ‘Zwielaut’ (»dvoglas«) beschrieben ist. Wegen ihres phonemgeschichtlichen Erkenntniswertes werden auch die beiden
Tabla za dicu (1561) ausführlicher ausgewertet. In ihnen fehlt nämlich das Jat-Phonem, obwohl die Jat-Buchstaben y bzw. ѣ in den betreffenden
Alphabeten vorhanden sind. Im Gegensatz dazu wird das Jat-Phonem fast ausnahmslos in der lateinschriftlichen Handschrift Neofiti 55 verwendet. Die Allophone sind hierbei einheitlich als ie geschrieben. Die Handschrift Neofiti 55 stellt ein kroatisches, volkssprachliches Missale Romanum dar, das sprachgeschichtlich im gleichen Zeitraum wie die beiden Tabla za dicu (1575 – 15??), aber im Dubrovniker, dalmatinisch-kroatischen Sprachraum geschrieben worden ist (Grčević 2021). Auch diese Quelle wird ausführlicher ausgewertet.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass für die kroatische Standardliteratursprache der Gegenwart nur das Jat-Phonem mit den Allophonen [ĭe], ['e], ['ē] als phonologische und orthoepische Norm gilt. Mit dieser phonologischen Norm führt die gesamtkroatische Standardliteratursprache der Gegenwart in spezifisch kroatischer Weise die diesbezügliche literatursprachliche Tradition des Altkirchenslavischen fort.

Keywords

Croatian literary language, Croatian standard language, phonology, phonetics, reflexes of Proto-Slavic jat', phoneme jat', allophones of the phoneme jat', orthoepy, graphemics, orthography, homograph, alphabet, latin script, glagolitic script, cyrillic script, historical survey, Indo-European language, Proto-Slavic language, Church Slavonic language, Ivan Berčić, Tabla za dicu, Neofiti 55

Hrčak ID:

289338

URI

https://hrcak.srce.hr/289338

Publication date:

29.12.2022.

Article data in other languages: croatian

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