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Original scientific paper

Volkstänze aus Sinj und seiner Umgebung

Ivan Ivančan ; Institute of Ethnology and Folklore Research, Zagreb, Croatia


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page 277-299

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Abstract

Die im Aufsatze gebrachten Angaben stammen aus den Ortschaften Sinj, Bitelić, Brnaze, Glavice, Hrvače, Jabuka, Maljkovo, Muć, Otok, Podvaroš, Trilj und Turjaci. Zwischen den Tanzveranstaltungen der Stadt Sinj und denen der umlie¬genden Dörfer bestehen wesentliche Unterschiede.
In Sinj wurden zweierlei Tanzveranstaltungen abgehalten. In den einen wirk¬ten Bauern mit, indem sie den Bauernreigen (seljačko kolo) aufführten, den sie auch Sirijsko kolo nannten. Einen ähnlichen Kolo tanzen die Bauern der näheren und weiteren Umgebung von Sinj. Die Bauern kamen anlässlich der Märkte und Festtage nach Sinj und führten zusammen mit den Städtern diesen Tanz auf. Die Kaufmannschaft, die Gewerbetreibenden und die Intelligenz von Sinj unter¬hielt sich auf eine andere Weise, indem sie die französische Quadrille, die kroatischen Salon-Kolos, sowie bürgerliche Tänze aufführten, die im XIX. Jh. fast ganz Dalmatien überschwemmten. Besonders populär waren die Tänze: Schottisch, Masurka, Polka und Walzer.
Die städtischen Veranstaltungen waren mit Einladungskarten verbunden und vorgeschrieben war für Männer dunkle Kleidung und für Frauen Tanzkleider, wo-möglich für jede Unterhaltung ein neues.
Am bekanntesten waren die Veranstaltungen der Alkaren-Gesellschaft, sodann der Tanz des Sokol-Vereines, die Blaue Nacht des Sportvereines Junak, die Unter¬haltung des Reitervereines Kolo, der Tanz der Glazbari (Musiker) und die Unter¬haltung des Feuerwehrvereins. Den Tanz eröffnete der Präsident mit seiner Ge¬mahlin, die Tanzlehrer und Leiter waren entweder Einheimische, oder sie kamen aus Split.
Die Bauern der Umgebung von Sinj tanzten von jeher den schlichten Kolo in Paaren, von einem Fuss auf den anderen springend. Manchmal schlossen sich auch zwei Paare zu einem Kolo.
Die wichtigsten Tanzgelegenheiten waren die Märkte (Dernek) zu welchen die Bauern aus nahen und entfernten Ortschaften kamen. Ansonsten tanzte man den Kolo in faßt allen Dörfern zur Weihnacht und Neujahrszeit und am schwungvollsten zur Faschingszeit. Dann pflegten Gruppen von Männern, mitunter in Frauentrachten, die Häuser zu begehen, wo sie auf den Tennen den Kolo tanzten.
Viel wird auch auf Hochzeiten getanzt; die Hochzeitssaison ist besonders rege im November. Die Tanzgelegenheiten bei der Hochzeit sind vielfältig. Zumeist tanzt man mit der Braut auf der Tenne, um zu sehen ob sie nicht hinke. Der Kolo wird ansonsten vor der Kirche, auf der Wiese oder am Hügel — immer im Freien getanzt.
Die Tänze gingen nicht immer ohne Störungen vonstatten Wegen der öfteren Prügeleien kam es vor, dass die Gendarmerie den Tanz verbot oder die Tänzer auseinander trieb. Die Mütter konnten ihren Töchtern den Gang zum Tanze auch verbieten, wegen der unschönen Distychen, die oft auch drastisch waren und sich im Sinjer Kolo immer mehr einbürgerten. Oft verboten die Eltern ihren Söhnen und Töchtern den Gang zum Kolo auch deshalb weil zumeist im Hause viel Arbeit zu verrichten war; auch mussten die Kinder mit den Schafen oder Kühen auf die Weide, denn der Boden ist karstig und das Vieh musste ins Gebirge. Die Geist¬lichkeit verbot den Tanz nicht, ausser wenn während des Gottesdienstes getanzt wurde. In der Fastenzeit konnte vom Tanzen natürlicherweise keine Rede sein.
Der Kolo war, ebenso wie auch in anderen kroatischen Gegenden, die Gele¬genheit wo sich der Bursche und das Mädchen kennen lernen und der Gang zum Tanze das Zeichen der Reife und Heiratsfähigkeit des Mädchens. Die alten Sitten waren streng und zu dem Kolo — wenn die Mutter mehrere Töchter hatte, — durfte nur die älteste gehen, denn bis zu ihrer Verehelichung mussten die jüngeren ihre Reihe abwarten. Im Tanz wurde zugleich die Selektion durchgeführt, man prüfte wer genug kräftig sei, wer länger aushalten konnte, wer gesünder und stär¬ker sei. Jedoch während in anderen dinarischen Gegenden nur die Mädchen dieser Kraftprobe unterworfen waren, galt sie im Sinjer Kreis auch für die Burschen.
Rund um den Kolo standen auch ältere Männer und Frauen; da wurden die Dorfereignisse besprochen und das Benehmen und das Tanzen der im Kolo Betei¬ligten kommentiert. Der Kolo war zugleich der Treffpunkt, wo man ausser dem Betrachten der Tanzenden und dem Zuhören des Gesanges, auch die letzten Neuig¬keiten aus dem Dorfleben und der Gegend erfahren konnte.
Der Kolo dieses Gebietes hat elementare Bewegungen und Sprünge, bei wel¬chen man einförmig von einem Fuss auf den anderen springt. Etwas schwieriger ist die Synchronisierung der Handbewegungen mit denen der Füsse, weil es dabei zum Schwingen nach oben, nach unten, nach links und rechts, im Kreise nach der einen und anderen Seite kommt.
Kinder hatten keinen Zutritt in den Kolo, ausser zur Weihnachtszeit, wann sie, die Erwachsenen betrachtend, auch selber zu tanzen versuchten. Sodann übten sie sich auf der Weide, während sie die Schafe hüteten.
Der Kolo dreht sich immer »naoposun« oder »naoposom«, d. h in der Richtung des Sonnenlaufs, oder — fachmännisch ausgedrückt — in der Bewegungsrich¬tung des Uhrzeigers. Wenn jemand herausfordern wollte, wendete er den Tanz in die umgekehrte Richtung.
Der Ort, die Zeit und die Art der Unterhaltungen der Bevölkerung des wei-teren Sinjer Umkreises hat vom XVIII. Jh. bis in unsere Zeit nur kleine Verände¬rungen erfahren. Erst in neuester Zeit verdrängen Elemente der städtischen Zivilisation die alten Sitten, nicht nur in der Sinjer Krajina, sondern in allen Gegenden. Während sich in anderen Gebieten der dinarischen Zone (Vrlika, Cetina, Bukovica, Lika, Glamoc u. a.) das Paar nur zeitweise aus dem Kolo-Reigen loslöst, um sich bald danach wiederum mit (ihm zu vereinigen, so gibt es hier, ausser unklarer Konturen, den eigentlichen Kolo-Reigen überhaupt nicht mehr, vor allem gibt es nicht den Kolo im sechsteiligen Tanzrhythmus, was die Hauptcharakteris¬tik der Tänze der dinarischen Tanzzone bildet.
Es wäre schwierig die zuverlässigen Gründe festzustellen weshalb die Ten¬denz zur Auflassung des gemeinsamen Kolo-Reigens zugunsten des Paartanzes gerade in, der Sinjer Umgebung auf so fruchtbaren Boden fiel. Am Ende des Mit¬telalters findet dieser Prozess in ganz Europa statt, aber in den Mitten mit stark entwickelter Tradition gelang es die alte Form des gemeinsamen Tanzes im Kolo-Reigen bis heute zu bewahren. In den Tänzen der Sinjer Krajina ist etwas wie ein Kompromiss zu beobachten, denn die Paare befinden sich in einem Kreis und der Tanz wird Kolo (Reigen) benannt. Ähnliche Beispiele gibt es auch in der adriatischen Tanzzone. An diese Zone erinnert auch das rhythmische Schema des Kolo in Maljkovo. Hiraus könnte man schliessen, dass Einflüsse der adriatischen Zone zu einer solchen Tanzform in der Sinjer Umgebung beigetragen haben. Es ist jedoch interessant vergleichshalber festzustellen, dass auch in der Lika der Kolo-Reigen in den Paaren-Tanz zerfallen ist. mehr als anderswo in der dinarischen Zone, und in der Lika sind die Einflüsse der adriatischen Sphäre sehr gut bemerkbar (was, übrigens, auch berücksichtigt wurde bei der Klassifizierung der Likaner Tänze).
Das heutige Bild der Kolo-Tänze in den Dörfern der Sinjer Umgebung könnte uns nicht zu dem Gedanken veranlassen dass hier einst ein ebensolcher Kolo-Reigen getanzt wurde wie in anderen dinarischen Gegenden d. h. mit langsamem Beginn unter Gesang von Balladen oder Romanzen, um dann beschleunigt fortzu¬setzen — alles im sechsteiligen Tanzrhythmus. Bei der Analyse des Rhythmus der heutigen Tänze, finden wir davon auch nicht die geringste Spur mehr. Aber ihr Stil nähert sich schon völlig den übrigen dinarischen Tänzen, in welchen die Sprünge das Hauptcharakterlistikum bilden. Der Inhalt des Tanzes, seine gesel-lschaftliche Bedeutung (das Bestreben je kräftiger sich zu zeigen, um dem Selek-tionsprinzip zu entsprechen für die Wahl der zukünftigen Ehepaare, sowie auch alle anderen gesellschaftlichen Faktoren) weisen die Sinjer Tänze vollkommen in die Gruppe der dinarischen Tänze. Dass auch hier einst der Kolo unter Gesang getanzt wurde, beweisen unwiderlegbar die Angaben von I. Lovrić aus der zweiten Hälfte des XVIII. Jh., in welchen er ausdrücklich davon spricht dass der Kolo zuerst mit einem langsamen Kreisen unter Gesang begann, dessen Anfangsworte meist lauteten: »Odi u kolo, duso moja ...« (etwa: In den Kolo korr,"Ti, mein Liebchen).
Auch die älteren Bauern wussten auszusagen dass man in dem Kalo einst längere Lieder sang, und den Beweis dafür erbringt auch F. S. Kuhac, der unter seinen Kolo Tanzliedern auch zwei aus Sürj bringt u zw je eine Ballade und Romanze. Es ist offenbar dass so lange Lieder unpraktisch wurden beim Paar--Tanz,und sie wurden durch D'styche vertreten, de die Burschen den Mädchen sangen und die allmählich vulgär wurden.
Lovric erwähnt auch das An-den-Händen-halten im Kolo und ein. solches Halten (und die ganze Form des Kolo) ersehen wir auch in den seltenen Bei¬spielen die in unserem Material beschrieben wurden.
Das alles beweist dass, ebenso wie anderswo, einst auch hier der gerne nsame Kolo-Reigen bestanden hatte, aber dass er in den Paaren tanz degenerierte, der dann in der Snjer kragina die einzige Tanzform wurde. Aber diese Form ist völlig verschieden von jenen die in den anderen erwähnten Gebieten der dinarischen Zone bestehen, nämlich den Fällen wo sich aus dem Kolo ein einzelnes Paar auf kurze Zeit absondert. Der Sinjer Kolo hat seine eigene Physiognomie, er ist vollkommen autonom.

Keywords

Hrčak ID:

37921

URI

https://hrcak.srce.hr/37921

Publication date:

15.6.1967.

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