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Grosse, vielleicht unerfüllbare Ansprüche »der Bussordnung«
Radogost Grafenauer
Abstract
Wenn man die Richtlinien des neuen Rituals »Die Feier der Busse« im Geiste des Konzils versteht, so sieht man, dass sie uns auf unsere Verantwortung aufmerksam machen. Unsere Kenntnis von Symptomen, Ursachen und Heilmitteln für verschiedene Seelenkrankheiten hinkt hinter den Erkenntnissen der heutigen Medizin nach. Unsere Forschung und Wissen auf diesem Gebiet geht nicht parallel mit den Bemühungen der Medizin. In dieser Diskrepanz liegt auch der Grund, dass wir vor den Menschen nicht glaubwürdig auftreten können, wenn wir behaupten, die Seelenkrankheiten seien wichtiger als alle anderen. Deshalb entfremden sich dem Bussakrament viele Christen immer mehr. Sie glauben uns nicht mehr, weil unsere Worte und Taten nicht übereinstimmen.
Das Konzil wünscht, dass wir Priester der Weh die Natur unseres Dienstes, vor allem den Dienst des Beichtvaters, klar zeigen (Konst. über die hl. Liturgie, 72). Das apostolische Wirken am Seelenheil der Menschen, das uns von Christus, dem Hirten und Arzt, anvertraut wurde, fordert von uns eine vollkommene Bereitschaft, damit wir uns »allgemein und stets bereit zeigen, den Liebesdienst der Spendung des Bussakramentes zu leisten, sooft die Gläubigen begründeterweise darum bitten« (Dekret über Dienst und Leben der Priester, 13). Stets sollten wir aufmerksam sein, wenn jemand auch im alltäglichen Gespräch sein Bedürfnis zu einer Aussprache und Beichte zeigt. Dafür sollen wir ein feines Gefühl haben und jedem seine Versöhnung mit Gott zu erleichtern suchen. Treten wir da manchmal nicht wie »Taglöhner« (Joh 10, 12), d. h. zu herrisch auf, so dass man uns gerade bitten muss, in den Beichtstuhl zu kommen?
Das Konzil verlangt, den Richterdienst im Geist des Sakramentes der Versöhnung und nicht als ein strenges Richten zu verstehen. Selbstverständlich müssen wir oft Geduld haben, denn der Dienst der Versöhnung schliesst auch eine Entschuldigung von vollstädingen Beichte ein. Wenn sich jemand im gewöhnlichen Gespräch wegen seiner Schwierigkeiten und Versagen anklagt, ist das schon ein Zeichen der Sehnsucht seiner Seele nach Versöhnung mit Gott, obwohl er es aus gewissen Gründen noch nicht in Form einer vollständigen Beichte tun kann.
Den so verstandenen Richter-Dienst können wir mit dem Arzt-Dienst vergleichen. Der eine vervollständigt den anderen. Der Richter-Dienst ist Dienst der Diagnostik. Das ist der höchste Priester-Dienst und ist dem Bussakrament wesentlich. Der Beichtvater zeigt dem Beichtkind seine Abweichung vom Ziel und schickt den Kranken »auf die richtige Krankenabteilung«, in die Umarmung Gottes. Der Priester lehrt den Menschen auf die Stimme seines Gewissens zu hören. Somit erfüllt er die Aufgabe Johannes' des Täufers, Gott in der Seele den Weg zu bereiten.
Die wichtigste Aufgabe des Beichtvaters jedoch ist die Unterscheidung der Geister. Man hat in der Ausbildung viel Zeit für das Studium der Moraltheologie aufgewendet. Sollten wir nicht vielmehr einen guten Monat etwa dem Studium der Regeln für die Unterscheidung der Geister widmen! Das ist vielleicht der grösste Mangel in der heutigen Beichtpraxis.
Keywords
Hrčak ID:
55302
URI
Publication date:
20.4.1979.
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