Historical Journal, Vol. 46 , 1993.
Original scientific paper
DIE WIRTSCHAFTLICHEN BINDUNGEN DER SOWJET-UNION AN DAS AUSLAND IN DEN ZAGREBER TAGESZEITUNGEN VON 1928 BIS 1932
Rene Lovrenčić
Abstract
Das Interesse für Rußland als ein riesiges eurasisches Land, als Großmacht und wichtigen Wirtschaftsraum mit großem realem oder potentiellem Bedarf und Angebot haben zu einer Ausdehnung der russischen Revolution 1917 und zu deren Ausgang, der Errichtung des Sowjetstaates, geführt. Zu den alten Gründen für dieses Interesse kamen neue mit ziemlichem Gewicht und internationaler Bedeutung. Sowjetrußland wirkte auf die Welt als anziehendes oder abstoßendes, erstes wirkliches Modell einer neuen, nichtkapitalistischen Gesellschaft und als Sitz der internationalen kommunistischen Bewegung, die gekennzeichnet war durch die Anstrengungen, diese Bewegung zu einer universalen Weltordnung zu machen. Das bisher nie dagewesene Experiment des ersten Fünfjahresplans (1928-1932) verstärkte das Interesse der Weltöffentlichkeit einschließlich der Journalisten, für die Entwicklung Sowjetrußlands noch. Dies zeigte sich auch im kroatischen Zeitungswesen, insbesondere in den Zagreber Tageszeitungen als dessen wichtigstem und einflußreichstem Teil. Die Vorstellungen, die sie von Sowjetrußland boten, zeichneten sich nicht durch Originalität aus - meist übernahmen sie fremde Informationen und Kommentare, aber sie hatten zweifellos einen wichtigen Platz in der Schaffung des heimischen Bildes von diesem Land, seiner Entwicklung, seinen Problemen, den Dilemmas und seinen Aussichten.
Die Verwirklichung des ersten Fünfjahresplans hing in großem Ausmaß von der Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen der Sowjetunion mit dem Ausland ab, von ihrem Handel mit anderen Ländern, auf Grund dessen sie das für die Industrie notwendige Material und andere Ausrüstung beschaffen und somit technologischen Transfer verwirklichen konnte, ohne den das umfangreiche Programm der sowjetischen Industrialisierung und die allgemeine Modernisierung kam denkbar waren. Aber die wirtschaftlichen Bindungen der Sowjetunion an das Ausland wurden, wiewohl unterstützt von verschiedenen fremden Interessen, die eher wirtschaftlicher als politischer Natur waren, von verschiedenen, mit einander verbundenen Faktoren gestört. Die innenpolitische Entwicklung dieses Landes erzeugte zahlreiche hindernde oder zumindest beunruhigende Effekte in den Beziehungen zum Ausland. In der ersten Phase des Fünfjahresplans kulminierte der langwierige Kampf innerhalb der Spitze der herrschenden Partei des Sowjetstaates, der mit dem schicksalhaften Sieg Stalins endete, aber die innenpolitischen Abrechnungen hatten damit nicht aufgehört. Gerüchte über neue Unruhen und Zusammenstöße hielten im Ausland die Überzeugung aufrecht, daß die Diktatur Stalins, die eben erst errichtet worden war, instabil war. Dazu trugen auch die häufig übertriebenen Nachrichten über den Widerstand von unten gagen das Sowjetregime bei, insbesondere wegen dessen Politik dem Dorf gegenüber, die die erneuerten Requisiten und dann noch die Zwangskollektivierung unterstrichen. Bei verschiedenen Gelegenheiten wurden Unruhen mit der Krise der politischen Führung in Zusammenhang gesetzt.
Die unausweichlich ablehnende Haltung gegenüber der Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen der Sowjetunion zum Ausland führte zur Ausweitung der Repression, von der eine nahezu ununterbrochene Prozeßreihe zeugte, die wiederum wirtschaftliche Faktoren berührte, zum Teil auch in der Sphäre der wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen Ländern. Die Prozesse unterstrichen die breite Überzeugung außerhalb der Sowjetgrenzen, daß Stalins Aufstieg zur Erneuerung oder Stärkung des Terrors, zur Umwandlung der Sowjetunion in einen Polizeistaat geführt hatte, in der der GPU, der Nachfolger der Tscheka, nicht nur gandenlos tatsächliche oder angebliche Regimegegner verfolgte, sondern auch alles und jeden, also auch das Wirtschaftsleben, einschließlich der Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland überwachte und bespitzelte. Die erschreckende fremde Vorstellung vom GPU unterstrichen auch die Nachrichten über das Vorgehen des sowjetischen Geheimdienstes im Ausland, der sich meist des sowjetischen diplomatischen Dienstes in aller Welt bediente. Mit beiden wurden Spionageaffären in Zusammenhang gebracht, die auf die starke Ausdehnung sowjetischer Nachrichtendienste in der ganzen Welt und deren umfassende Reichweite vom militärischen Bereich bis zur Industrie verwiesen. Daneben konnte man erkennen, daß das ganze sowjetische Spionagenetz mit den Aktivitäten der Dritten Internationale verwoben war, deren Anstrengungen und Zielsetzungen nicht nur verschiedenen politischen, sondern vor allem den Wirtschaftskreisen der kapitalistischen Länder odios erschienen.
Keywords
Hrčak ID:
323883
URI
Publication date:
1.5.1994.
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