Original scientific paper
Der Schönheits - und Kunstbegriff in der kroatischen Neuscholastik
Zlatko Posavac
; Institut za filozofiju, Zagreb, Hrvatska
Abstract
Nach den für die kroatische Neuscholastik antizipativen Erörterungen von Antun Kržan (1874) und Ante Petrić (1875) sowie nach Erscheinen der ersten philosophischen Handbücher für den Hochschulunterricht, die Ante Bauer 1892 und 1894 in kroatischer Sprache verfasst hatte, war es Josip Stadler, der eine definitiv und ganzheitlich artikulierte neuscholastische Position präsentierte. Sein Werk Filozofija erschien von 1904 bis 1915 in sechs Bänden: I. Dijalektika (Dialektik = Logik, 1. Teil), 1904; II. Kritika ili noetika (Kritik oder Noetik = Logik, 2. Teil), 1905; III. Opća metafizika ili ontologija (Allgemeine Metaphysik oder Ontologie), 1907; IV. Kosmologija (Kosmologie), 1909; V. Psihologija (Psychologie), 1910, und VI. Naravno bogoslovlje (Natürliche Theologie), 1915. Hierbei geht es um eine Philosophie, die sich darum bemüht, die neothomistischen Absichten der katholischen Kirche korrekt zu befolgen; doch innerhalb der kroatischen Kultur hat Stadlers Opus eine zusätzliche Bedeutung und nimmt daher einen besonderen Platz ein. Stadlers Filozofija (I–VI, Sarajevo) ist das erste in kroatischer Sprache explicite als umfassendes Ganzes dargelegte und im Druck erschienene (neuscholastisches) philosophische System. Obwohl die Ästhetik nicht als gesonderte Disziplin in einem Extra-Band bearbeitet wurde, bezeichnet Stadler ihre Thematik ausdrücklich als Problembereich der Philosophie der Kunst.
Die erste (in der Frühzeit seines Schaffens entstandene, nicht jedoch ganz ursprüngliche) philosophische Schrift veröffentlichte Stadler bereits 1871 – noch vor Kržan und Bauer – unter dem Titel Logika (Logik). Im Jahre 1874, nahm er an der Theologischen Fakultät der erneuerten Zagreber Universität seine Lehrtätigkeit am Lehrstuhl für Philosophie und Theologie auf. Seine Universitätskarriere wurde durch die Ernennung zum Erzbischof von Vrhbosna (Name der bosnischen Kirchenprovinz mit Sitz in Sarajevo – Anm. d. Übers.) im Jahre 1881 unterbrochen, sodass er sein Lebenswerk Filozofija (wiederum
nicht vollständig) erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts veröffentlichen konnte. Die Lebensumstände Stadlers sowie einige andere Momente sind der Grund dafür, dass ein adäquates historiographisches wie auch philosophisches Verständnis seines Schaffens ausnahmsweise sowohl die Kenntnis einiger wesentlicher Aspekte seiner Biographie als auch bestimmter wichtiger Begebenheiten der kroatischen Kultur- und politischen Geschichte, ebenso aber auch der (katholischen) Kirchengeschichte seiner Zeit voraussetzt. In diesem Sinne müssen, sowohl hinsichtlich der Stadler’schen Philosophie im Allgemeinen als auch seiner ästhetischen Auffassungen im Besonderen, bestimmte andere Texte (Reden, Sendschreiben, Briefe usw.) bei der Interpretation seines Schaffens in Betracht gezogen werden. Diese Texte haben hinsichtlich der Stadler’schen Theorien zwar keinen besonderen Wert, doch tragen sie wesentlich zur Erfassung seiner philosophischen Ansichten insgesamt bei. Des Weiteren soll darauf hingewiesen werden, dass Stadlers Schriften, trotz der standardmäßigen Buchform, in der Hochschul-Handbücher üblicherweise veröffentlicht wurden, keine gewöhnlichen (neu-)scholastischen Kompendien darstellen; vielmehr bemüht sich das Werk, im Rahmen der vorgegebenen Richtlinien – nämlich als philosophisches System –, um den Weg der Wahrheitssuche sowie um die Gestaltung einer Lebens- und Weltanschauung, die für einen Mann, der sein Leben in den Dienst des Glaubens gestellt hat, annehmbar (notwendig!) wäre. In der Biographie Stadlers, nachdem er die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht hat (Enttäuschungen und Misserfolge mit eingeschlossen), sowie bezüglich der damaligen historischen Wirklichkeit in Kroatien und Europa wird in den weltanschaulichen Überlegungen des Theologen und Philosophen eine Haltung erkennbar, die man als consolatio [philosophiae] identifizieren kann. Obwohl Stadlers ästhetische Ansichten weder »exzentrisch« noch in irgendeiner entscheidenden Weise etwas Besonderes sind, erfordern sie – wie auch seine Philosophie insgesamt – eine betont historiographische Aufmerksamkeit des Interpreten bei der Darstellung des Stadler’schen Schaffens innerhalb der kroatischen neuscholastischen philosophischen Strömung. Diese Aufgabe steht der Forschung bevor.
Keywords
Hrčak ID:
72241
URI
Publication date:
3.12.2001.
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