Ethnologica Dalmatica, Vol. 19 , 2012.
Original scientific paper
Die Mutter der Barmherzigkeit zwischen slawischem Heidentum und Christentum
Radoslav Katičić
; Institut za slavistiku, Beč, Austrija
Abstract
Auf der Lage Crkvina im Dorf Biskupija bei Knin befindet sich eine altkroatische Nekropole mit Fürstengräbern, deren älteste Schicht Merkmale heidnischer Bestattungssitten aufweist. Später, aber allenfalls noch am Ende des 8. oder im 9. Jh., wurde dort eine dreischiffige Basilika errichtet und der Mutter Gottes geweiht. An ihrem westlichen Ende wurde bald danach, ganz in karolingischer Manier, ein Westwerk dazugebaut, in dessen Erdgeschoss ein Herrschermausoleum entdeckt wurde. Man befindet sich hier offensichtlich im Mittelpunkt der frühmittelalterlichen Herrschaft der gens Chroatorum und deren duces. In dieser Kirche ist auch auf einem Tegurium der Altarschranke ein Relief mit einem Kultbild Mariens gefunden worden, der ältesten erhaltenenm im kroatischen Raum. Es stammt aus der zweiten Hälfte des 11. Jh., doch ist der Marienkult an diesem Ort wesentlich älter. Man kann annehmen, dass er aus der Zeit der Christianisierung der Kroatenherrschaft im ehemals römischen Dalmatien stammt. Das Gräberfeld, in dem die Marienkirche steht, ist jedoch älter als diese. Seine ersten Bestattungen weisen noch heidnische Merkmale auf. Hier kann demnach die Christianisierung dieser Herrschaft archäologisch verfolgt werden. Dieser Marienkult steht also auf heidnischer Grundlage. Hier wird dann auf Grund slawischer mündlicher Textüberliefegrung im Einzelnen belegt, dass es im vorchrtistlichen Glauben der Völker slawischer Sprache einen Mythos von der Erde als Mutter und auch ihren Kult gab. Der christliche Marienkult im Umfeld der kroatischen Herrscher hatte als Mutterkult im alten Glauben eine Grundlage, an die er anknüpfen und diese in etnem ganz neuen religiösen Kontext gewissermaßen fortsetzen konnte.
Keywords
Hrčak ID:
107566
URI
Publication date:
15.9.2012.
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