Original scientific paper
Besonderheiten der Befugnis des Anklägers des Internationalen Strafgerichtshofes, im Interesse der Gerechtigkeit von Ermittlungen und Strafverfolgung abzusehen (Art. 53 des Römischen Statuts)
Marissabell Škorić
Abstract
In dieser Arbeit wird die Ermessensbefugnis des Anklägers des Internationalen Strafgerichtshofes analysiert, auf Grund von Art. 53. Abs. 1 Buchstabe c und Abs. 2 Buchstabe c des Römischen Statuts keine Ermittlungen oder Strafverfolgung einzuleiten, sofern er zu dem Schluss kommt, dass dies nicht im Interesse der Gerechtigkeit wäre. Diese Befugnis des Anklägers hat insbesondere deshalb Diskussionen entfacht, weil das Römische Statut den Inhalt des Begriffs "Interesse der Gerechtigkeit" nicht näher definiert. Dieser Begriff wird in der vorliegenden Arbeit im einzelnen untersucht. In der inhaltlichen Erörterung des Begriffs "Interesse der Gerechtigkeit" wird besonders die Frage behandelt, ob dieser Begriff nur auf die retributive Gerechtigkeit beschränkt ist oder ob bei seiner Auslegung ein breiteres Gerechtigkeitsverständnis zur Anwendung kommen soll, das unter bestimmten Voraussetzungen die Anerkennung einer Amnestiewirkung als Alternative zur Strafverfolgung miteinschließt.
Die Resultate der Analyse legen den Schluss nahe, dass die Verfasser des Römischen Statuts die Entscheidung, ob Ermittlungen und Strafverfolgung aufzunehmen sind oder davon abzusehen ist, damit die demokratische Entwicklung der Demokratie in dem betreffenden Staat nicht gefährdet wird, dem Ermessen des Anklägers überlassen haben. Eine derartige Ermessensbefugnis des Anklägers, der seine Entscheidung auf politische Kriterien stützen muss, erfordert eine präzisere Regelung, die bisher ausgeblieben ist. In diesem Sinne wird eine Ergänzung von Art. 53. Abs. 1 Buchstabe c) und Abs. 2 Buchstabe c) vorgeschlagen, die eindeutig klarstellt, dass diejenigen, die die größte Verantwortung für die Verübung der der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofes unterliegenden Verbrechen hatten, prozessuiert und bestraft werden beziehungsweise dass der Ankläger des IStGh nicht von der Strafverfolgung der ranghöchsten Anführer und Hauptanstifter von der Gerichtsbarkeit des IstGh unterliegenden Verbrechen absehen kann. Bezüglich der anderen Täter mag die Entscheidung des Anklägers, keine Strafverfolgung einzuleiten, einsichtig sein, jedoch nur, wenn sie vorab bestimmten und für alle in gleicher Weise geltenden Kriterien entspricht. In diesem Sinne wird die Verabschiedung und Bekanntgabe von Richtlinien vorgeschlagen, die mögliche Zweifel an der Berechtigung und Legitimität der Entscheidung des Anklägers, diejenigen Personen strafrechtlich nicht zu belangen, von denen die schwersten der Gerichtsbarkeit des IStGh unterliegenden Verbrechen begangen wurden, beseitigen oder zumindest erheblich verringern können.
Keywords
Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofes; Interesse der Gerechtigkeit; Amnestie
Hrčak ID:
13317
URI
Publication date:
20.6.2007.
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