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Die Walfischkanzel in Lovrečka varoš

Doris Baričević


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page 173-179

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Abstract

In der Kirche des hl. Laurentius in Lovrečka Varoš im nord
westlichen Kroatien befindet sich cine interessante Walfischkanzel.
D iese Kanzel in der Form eines grossen Fisches Ober dessen
weitgeoffnetem Rachen der Prophet Jonas schwebt, stellt
auf sehr eindringliche Weise die bekannte biblische Legende
von der Rettung des Propheten aus dem Leibe des Walfisches
dar. Der Kopf des Walfisches mit seinen menschenahnlichen
grossen Augen hat ausgesprochen antropomorphen Charakter.
Der mit regelmassigen Schuppen bedeckte Korper des Fisches
erstreckt sich auf die Brustungswand der Treppe. Statt der sonst
Ublichen Ornamente sind Kopf und Korper des Walfisches mit
der Natur nachgebildeten Steinen und langen schmalen Blattern
umgeben. Ober der einfachen Ruckwand erhebt sich der wolkenumsaumte
Schalldeckel, Uber welchem auf einem von tellerartigen
Wolken verdeckten Postament der Prophet Jonas kniet.
Nach den sparlichen archivalischen Quellen wurde die Kanzel
im Jahre 1780 aufgestellt. Durch ihr aussergewohnliches ikonographisches
Programm und realistische Darstellung unterscheidet
sich diese Kanzel wesentlich von allen anderen Kanzeln des
18. Jahrhunderts in Nerdwest-Kroatien, fur welche ihr architektonisch-
plastischer Charakter kennzeichnend ist, wahrend in ikonographischer
Hinsicht die allegorischen Motive uberwiegen. Bei
der Walfischkanzel in Lovrečka Varoš wird die Tektonik der
Konstruktion fast ganz durch die realistische Darstellung des
Fisches verdrangt, Ebenso verdecken am Schalldeckel die aufgeschichteten
Wolken dessen konstruktive Teile und auch das
Postament, auf welchem der Prophet kniet. Statt der sonst ublichen
vergoldeten Ornamente finden wir hier Steine und Pflanzengebilde,
die an Meergras erinnern.
In ikonographischer Hinsicht ist die Kanzel in Kroatien cine
Seltenheit, da man Jonasdarstellungen hier nur ausserst selten
findet (Tremi, Selnik). Charakteristisch ist, auf welche Weise
hier cine einzelne Stelle aus der Bibel isoilert und monumentalisiert
und mit die Natur nachahmendem Gestein und pflanzlichen
Motiven umgeben wird. Diesen Merkmalen nach gehort die Walfischkanzel
in Lovrečka Varoš einem besonderen Kanzeltypus an,
welcher sich im L aufe des 18, Jahrhunderts in West- und
Mitteleuropa entwickelt hat.
Der neve Kanzeltypus ensteht um 1700 in den katholischen
Provinzen der Niederlande. Zum Unterschied von den bis dahin
10 ZABOK, Župna crkva Sv. Helene — Krstionica
vertretenen s. g. » al legorischen Kanzelnc entsteht ei n never
Typus bei welchem Szenen aus der Bibel vollplastisch dargestellt
und von einer realistischen landschaftlichen Szenerie umgeben
werden. Diesen Merkmalen verdankt dieser Kanzeltypus
in der Li teratur die Bezeichnung >Naturkanzelna. Es muss jedoch
betont werden, dass die Elemente aus denen die Sonderform
der Naturkanzeln zu Beginn des 18. Jahrhunderts gebildet
wurden schon im Manierismus vorgebildet waren, wo sie hauptsachlich
in der profanen Kunst ihre Verwendung fanden.
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts dringen die Naturkanzeln
nach Mitteleuropa vor, wo sie jedoch nur selten vorkommen. Es
entwickeln sich hier zwei neve Varianten dieses Kanzeltypus,
die s. g. Schiffskanzel, welche hauptsachlich in Suddeutschland
und čsterreich vertreten ist, aber in einzelnen Beispielen auch
in Schlesien, Polen und Ungarn vorkommt, und die s. g. Wal fischkanzel, welche nur in Schlesien und Bohmen in wenigen Beisp.'
elen anzutreffen ist. Zum Unterschied von den f lamischen
Naturkanzeln bei denen sich die biblischen Szenen am Kanzel',
uss befinden, ist bei den Naturkanzeln Mitteleuropas der Kanzelkorpus
selbst als Schiff, beziehungsweise ais Walfischrachen
gebildet, in welchem der Prediger steht. Ausserdem sind die Naturkanzeln
Mitteleuropas gefasst und teilweise vergoldet, wahrend
die flamischen Kanzeln im naturlichen Holzton belassen sind.
Die Walfischkanzel in Lovrečka Varoš schliesst sich an die
bomischen Naturkanzeln dieses Typus an (Bošilec, Kratonohy,
Mnichovice). Ihr anonymer, wahrscheinlich einheimischer Meister
war jedoch augenscheinlich dieser schwierigen Aufgabe
nicht gewachsen. Statt der vollplastischen Darstellung des Waifisches
wie man sie bei den bohmischen Kanzeln findet, ist bei
der Kanzel in Lovrečka Varoš der flachig behandelte Fisch auf
die ubliche Kanzelkonstruktion appliziert. Auch das Gestein unddie Vegetation sind nicht getreu der Natur nachgebildet, sondern
stilisiert. Wahrend man ahnliche Anhaufungen von Steinen
auch sonst an einigen Kanzeln dieses Gebietes antriHt, scheinen
die langen, schmalen Blatter welche bei der Walfischkanzel das
Gestein und den Fisch umspielen, cine Erfindung des anonymen
Meisters zu sein. Das Motiv findet sich im nordwestlichen Kroatien
sonst nur noch einmal — an der Kanzel und dem Taufbecken
der Pfarrkirche in Zabok aus dem Jahre 1786. Anscheinend
handelt es sich hier um Werke derselben Werkstatt, vielleicht
sogar desselben Meisters wie bei der Walfischkanzel in Lovrečka
Varoš.
Die Walfischkanzel in Lovrečka Varoš ist im Sgdosten Euro
pas das einzige Beispiel einer Naturkanzel. An sich cine Selten
heit, ist sie auch deshalb interessant, weil sie darauf hinweist,
dass man im nordwestlichen Kroatien auch mit kunstlerischen
Einflussen aus Bohmen rechnen muss.

Keywords

Hrčak ID:

148370

URI

https://hrcak.srce.hr/148370

Publication date:

15.12.1968.

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