Bogoslovska smotra, Vol. 63 No. 1-2, 1993.
Original scientific paper
Eine andere Maria. Synkretistische Elemente in den volkstümlichen Vorstellungen über Maria, Jesu Mutter
Vitomir Belaj
; Faculty of Philosophy, University of Zagreb, Zagreb, Croatia
Abstract
Noch 1983 konnte ich auf Malta unter anderem zeigen, daß in den kroatischen volkstümlichen Vorstellungen über die Mutter Gottes ältere, vorchristliche Elemente vorkommen.
Diesmal gilt die Aufmerksamkeit einigen Merkmalen die keinesfalls mit den gewöhnlichen Vorstellungen über Maria übereinstimmen, und die sie als eine grausame, vergeltungssuchende Person darstellen. Und das obwohl dem christlichen (römisch--katholischen) kroatischen Volk schon 13 Jahrhunderte lang die offizielle Lehre von der Mutter Gottes gut bekannt ist und durch verschiedene und zahlreiche Frömmigkeitsformen zeigt, daß es sie als seine eigene aufgenommen hat.
Durch die komparative ethnologische Analyse des ethnographischen Materials und die ebensolche philologische Analyse der volkstümlichen Texte kann nun gezeigt werden, daß hier ein vorchristiliches religiöses Substrat am Werke ist. In die offizielle Lehre von Maria drangen Elemente älterer, urslawischer, vorchristlicher Vorstellungen über Mara, ein hohes weibliches göttliches Wesen, das sich dank der großen Namensähnlichkeit (die Linguisten deuteten bis jetzt den Namen Mara nur als Hypochoristikon des aus dem Hebräischen stammenden Maria und auch einer gewissen Funktionsähnlichkeit (Mara war als jungfräuliche Gottestochter gedacht, die in Jahresmythen durch ihre Heirat mit ihrem verlorengegangenen Bruder, also durch einen inzestuösen 'ιερός γάμος, die Fruchtbarkeit in dieser Welt gewäfirleistet), mit den christlichen Vorstellungen vermengten und bis heute erhalten blieben.
Die alte, vorchristliche Bauernreligion wurde mit der Zeit beim Volk zu einer parallelen Religion, die in der Praxis keinesfalls gegen die christliche auftrat, sondern als ihr komplementär aufgefaßt wurde. Der christliche Glaube erklärte zwar dem Bauern wie er sich das Leben »danach« vorzustellen, und sein ethishes Wesen daraufzurichten hat, aber für die Abwicklung des bäuerlichen wirtschaftlichen Jahres blieb die, auf diesem Gebiet dem Christentum weit »überlegene«, Bauernreligion mit ihren wachtumsfördemden Ritualen auch weiterhin zuständig.
Durch solche Studien können einzelne, auf den ersten Blick unlogische Züge im Volksglauben erst richtig verstanden und gedeutet werden.
Keywords
Hrčak ID:
35725
URI
Publication date:
16.12.1993.
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