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Original scientific paper

DIE JAHRESBRÄUCHE DER TSCHECHEN IN DER GEGEND VON DARUVAR

Iva Heroldová


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page 199-245

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Abstract

Die tschechischen Kolonisten begannen sich in der Gegend von Daruvar vor 150 Jahren anzusiedeln. Im Jahr 1825 wurde Ivanovo Selo gegründet, die heute älteste tschechische Siedlung in Jugoslawien. Der stärkste Zustrom tschechischer Kolonisten kam in die Gegend von Daruvar in den siebziger bis achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als im wesentlichen die Land­karte der heutigen tschechischen Besiedlung bereits geschaffen war. Die tschechischen Kolonisten, die in die Gegend von Daruvar zur Zeit der Wirt­schaftskrisen kamen, stammten vorwiegend aus Nordost-, Südwest- und Südböhmen.
Nach den zeitgenössischen Bevölkerungsstatistiken sind die Tschechen neben der einheimischen Bevölkerung, den Kroaten und Serben, die stärkste in der Gegend von Daruvar lebende ethnische Gruppe. Sie leben in Dörfern zusammen mit der kroatischen und serbischen Bevölkerung. Die ethnische Zusammensetzung der einzelnen Siedlungen, das zahlenmässige Ubergewicht des einen oder anderen Ethnikums spielten eine wichtige Rolle im Adapta-tions- und Akulturationsprozess der tschechischen Minorität. Mit den Kroa­ten hatten die Tschechen den katholischen Glauben gemeinsam, während sie die orthodoxe Religion von den Serben trennte.
Durch Terrainforschungen des Instituts für Ethnographie und Folklo-ristik der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften aus den Ja­hren 1965—1970 wurde die Volkskultur der tschechischen Enklave während der letzten fünfzig Jahre erfasst, dies nach hundertjährigem Zusammenleben mit der einheimischen Bevölkerung. Die Minderheit hat bereits den Zenit ihrer kulturellen und nationalen Entfaltung hinter sich und unterliegt all­mählich, wenngleich bei den einzelnen Erscheinungen nicht in gleichem Mas­se, der Assimilation.
Die Mitteilungen der Informatoren bilden die Grundlage der Erkennt­nisse der tschechischen Ethnographen aus dem Bereich des Brauchlums, der Gewohnheiten und des Aberglaubens. Die Verifizierung des zusammengetra­genen Materials wird dadurch erschwert, dass es an ethnographischer Lite­ratur aus diesem Bereich fehlt.
Die Volkskultur der tschechischen Enklave in der Gegend von Daruvar hat einen bestimmten einheitlichen Charakter, der durch den langfristigen Angleichungsprozess im andersnationalen Milieu gegeben ist. Die Zeit ver­wischte viele sprachliche und kulturelle Eigenheiten, die die Kolonisten mit­gebracht hatten. Trotzdem bewahrten einige Siedlungen gewisse Unterschie­de, die entweder durch Petrifizierung der Volkskultur oder durch die Cha­rakteristik des Herkunftsgebietes der Kolonisten gegeben waren. Viele dieser regionalen Eigenheiten sind bereits untergegangen oder erhalten sich nur im Familienkreis, andere sprengten den Rahmen der sie ursprünglich tra­genden Gruppe und wurden zum Gemeingut des ganzen Dorfes.
Das Bild der tschechischen Volkskullur, wie es die tschechischen Eth­nographen bei ihren Terrainforschungen festhielten, ist nicht identisch mit dem Bild der tschechischen Volkskultur der ersten Kolonisten. Wie die Volks­kultur zur Zeit der Ankunft der Tschechen in der Gegend von Daruvar aus­sah, ist nicht bekannt, da weder diese Periode, noch der Adaptationszeitraum erfasst sind. Wenn wir die Einflüsse des andersnationalcn Milieus beiseite lassen, was ist dann von dem im Terrain Aufgezeichneten kontinuierliche Tradition, was ist neue an bereits vergessenen Urgrund anknüpfende Tradi­tion, was wurde völlig neu unter dem Einfluss von Tendenzen nach natio­naler Selbstbesinnung oder im Hinblick auf die Minderheitsstellung geschaf­fen?
In der vorliegenden Abhandlung unternimmt die Verfasserin den Ver­such einer ethnischen Klassifikation des zusammengetragenen Materials auf Grund der Gewohnheitslehre und der abergläubischen Vorstellungen bei der tschechischen Landbevölkerung katholischer Konfession in der Gegend von Daruvar, und zwar durch Beobachtung der ursprünglichen Formen die­ser Gebräuche und abergläubischen Vorstellungen, ihrer Entwicklung im andersnationalen Milieu, durch Vergleich mit kroatischen und serbischen Elementen. Ferner verweist sie auf die durch die slawische Verwandtschaft, das gleiche Religionsbekenntnis (Kroaten) oder den stadialen Charakter der Kulturentwicklung gegebenen Identitäten.
Die während des ganzen Jahres vorkommenden Gebräuche und Gewohn­heiten sind eine verhältnismässig gut erhaltene Sphäre der tschechischen Volkskultur der Tschechen aus der Gegend von Daruvar. Ein Grund dafür ist der Umstand, dass es sich um Landbevölkerung handelt, für die der Zy­klus der landwirtschaftlichen Arbeiten bestimmend ist; ein weiterer, nicht bedeutungsloser Umstand ist die Tatsache, dass die Kroaten und Serben selbst eine erhaltene, von Tradition getragene Kultur hatten, die in vielen Belangen noch archaischer war als die Volkskultur der tschechischen Kolo­nisten.
In der Zeit vor Weihnachten erfolgten (und erfolgen noch stellenweise) bei den Tschechen in der Gegend von Daruvar Umzüge von »Luzien«, »Bar­baras«, »Nikolos« und »Krippensängern«. Während die »Barbara-Umzüge« klar tschechischer Provenienz sind, da sie sich bei der einheimischen Be­völkerung nicht vorfinden, ist die Herkunftsbestimmung der »Luzien-Umzü-ge« ziemlich schwierig. Der Annahme der These von der ununterbrochenen Tradition dieser »Luzien« seit dem Zeitpunkt des Auszugs der Kolonisten aus der Heimat bis auf den heutigen Tag steht die Tatsache entgegen, dass in zahlreichen typisch »tschechischen« Siedlungen mit gulcrhaltenen alten Formen tschechischer Volkskultur keine Erwähnung von »Luzien-Umzügen« bei den Tschechen vorkommen.
Die Umzüge der Krippensänger in Verbindung mit einem Krippenspiel, die in den fünfziger Jahren untergingen, waren nur auf einige tschechische Siedlungen in der Nähe von Daruvar beschränkt. Das aufgezeichnete, bemer­kenswert gut erhaltene Weihnachtsspiel ist das bekannteste slowakische Weihnachtsspiel mit einem Umgang. Höchstwahrscheinlich wurde es in die Gegend von Daruvar durch slowakische Kolonisten verpflanzt, die sich hier im vorigen Jahrhundert niederliessen. Während des langjährigen Aufenthalts im tschechischen Milieu kam es zur Tschechisierung der slowakischen Kolo­nisten durch Heiraten, durch die tschechische Schule und natürliche Assi­milation. Heutzutage erinnern an ihre Herkunft einige erhaltene Vornamen und bis in die jüngste Zeit das Spiel von den »Krippensängern.«
Was das Weihnachtsbrauchtum und abergläubische Vorstellung im Zu­sammenhang damit anbelangt, haben sich diese bei den Angehörigen der älteren Generation der Tschechen um Daruvar verhältnismässig reichlich er­halten. Einige sind markant tschechischer Provenienz, andere sind allgemein slawisch oder haben noch weitergehende Gültigkeit, ein Teil ist von der ein­heimischen Bevölkerung übernommen. Auch der Speisezettel am hl. Abend wahrte einige traditionelle tschechische Gerichte, wie gebrühtes Gebäck, Speisen aus Pilzen und Gräupchen und gekochtes Dörrobst. Neben dem St. Stephanslied der Kinder wurden in Ivanovo Selo einige alte tschechische Weihnachtslieder aufgezeichnet, mit denen die dortigen Bewohner nach dem Weihnachtsschmaus vor Mitternacht einander frohe Weihnachtsfesttage wün­schen gehen. Die Umzugsspiele der Kinder am Dreikönigstag verschwanden nach dem Zweiten Weltkrieg, aber noch heute finden wir in der Gegend von Daruvar Menschen, die sich daran erinnern.
Die Faschingsumzüge gehörten und gehören noch immer bei den Tsche­chen in der Gegend von Daruvar zu den wichtigen Anlässen zu kollektivem Brauchtum. Die tschechischen Kolonisten veranstalteten ursprünglich diese Umzüge selbständig, unabhängig von den Maskenzügen der einheimischen Bevölkerung. Die Landsmannsvereine und ihre Presse beeinflussten die Or­ganisation und Aufmachung der tschechischen Umzüge. In den tschechischen Maskenumzügen können wir folgende Masken antreffen: 1) traditionelle, aus Böhmen bekannte Masken, 2) Masken lokaler Provenienz, 3) Masken nach der individuellen Vorstellung und Phantasie der Organisatoren dieser Veran­staltungen. Gegenwärtig finden Maskenumzüge lediglich in einigen Siedlun­gen statt.
Von den Gebräuchen der Zeit vor Ostern erhielten sich bei den Tsche­chen um Daruvar Bräuche in Verbindung mit dem Totensonntag (Dominica Judica) und dem Palmsonntag (Dominica Palmare). In Ivanovo Selo erhielt sich als im einzigen tschechischen Dorf in der Gegend von Daruvar am Totensonntag der Brauch des Todaustragens. An dieses Todaustragen schloss sich in Ivanovo Selo am Palmsonntag das Sonneneinbringen an. Während sich der Brauch des Todaustragens noch heute in Ivanovo Selo behauptet, ist der Brauch des Sonneneinbringens schon völlig verschwunden.
Ostern sind, ebenso wie Weihnachten, in Jugoslawien seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Arbeitstage. Trotz der allgemeinen Tendenz, diese Feiern einzuschränken, feiern bis auf den heutigen Tag viele Angehörige der älte­ren und mittleren Generation bei den Tschechen um Daruvar Ostern, sei es aus überlieferter Tradition, aus religiöser Uberzeugung oder auch nur zur Erheiterung und Unterhaltung. Im österlichen Ritenzyklus der Tschechen aus der Gegend von Daruvar haben sich sehr viele Gewohnheiten und Bräu­che ihrer alten Heimat erhalten (Judasjagd und -Verbrennung, Fusswaschung am Karfreitag, Schmeckostern in Verbindung mit Osterliedern).
Ein wichtiger Tag in der Zeit nach Ostern war bei den Tschechen um Daruvar die Walpurgisnacht in Verbindung mit der im tschechischen Bra­uchtum üblichen »Hexenverbrennung« und »Maibaumaufstellung«. Die mit dieser Nacht in Verbindung gebrachten abergläubischen Vorstellungen sind bereits verschwunden, aber noch heute lässt man dort Feuer brennen und richtet Maibäume auf, wenngleich in geringerem Umfang. Die ursprüngliche Bedeutung des Brauches der »Hexenverbrennung« ist durch Unterhaltungen und Spiele der Jugend bereits verdrängt, ebenso wie die tschechische Be­zeichnung durch den heimischen Ausdruck »kres« ersetzt wird.
Der Sommer enthält, mit Ausnahme des »Erntefestes« der Tschechen um Daruvar, keine grösseren alljährlich wiederkehrenden Feste und Gebräu­che. Die i. J. 1928 als nationales Manifestationsfest der tschechischen Mino­rität in Jugoslawien eingeführten Erntefeste haben nichts gemeinsam mit den traditionellen Erntefesten, wie wir sie aus der Erzählung der Kolonisten vor dem J. 1918 kennen. Die gegenwärtigen Erntefeste haben mit den tradi­tionellen die Abhaltungszeit (den Sommer), den Umzug und die Tanzunterhal­tung gemeinsam. Das Erntefest von Daruvar findet als Feier der tschechischen Minderheit in Kroatien jedes Jahr in einer anderen tschechischen Siedlung statt, wo dann die jugoslawischen Tschechen auch aus anderen Gegenden Jugoslawiens mit ihren in Trachten gekleideten Ensembles zusammenkom­men. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs beteiligen sich an den tsche­chischen Erntefesten auch Ensembles und Repräsentanten der übrigen in Jugoslawien lebenden Nationalitäten: Serben, Kroaten, Ungarn, Italiener. Das Erntefestprogramm beginnt bereits am Samstag, wo im örtlichen »Na­tionalhaus« eine »Akademie« stattfindet, wo es Gesangs-, Tanz- und Musik­darbietungen gibt. Der Sonntagmorgen wird mit einem Umzug eingeleitet, zu dem allegorische Bilder aus der tschechischen und kroatischen Geschichte gehören; dann folgt eine Ansprache über jene Gemeinde, in der in diesem Jahr das Erntefest abgehalten wird, sowie ein gemeinsames Mittagessen. Das Nachmittagsprogramm wird von Auftritten verschiedener Ensembles und gegebenenfalls von sportlichen Spielen bestritten.
Wenn das Erntefest die offizielle nationale Manifestation der Tschechen aus der Gegend von Daruvar ist, bedeutet die Kirchweihe ihr bedeutsamstes Jahresfest, ein zwar unorganisiertes und dennoch alljährlich veranstaltetes Fest. Die Kirmes ist ein im Herbst abgehaltenes ländliches Fest, das auf tschechischem und dem benachbarten deutschen Territorium gefeiert wird. Früher feierte jedes Dorf in Böhmen das Kirchweihfest an einem anderen Sonntag, aber durch Dekret Josefs II. aus dem J. 1786 wurde ein einheitli­cher Zeitpunkt für die Abhaltung der Kirchweihfeste im ganzen Land Böh­men festgelegt, und zwar der Sonntag nach dem St. Gallustag, d. h. prak­tisch der dritte Sonntag im Oktober (sog. Gallus- oder Kaiserkirmes). Die grösste Zahl tschechischer Gemeinden in der Gegend von Daruvar feiert ge­rade diese Galluskirmes. Das Kirchweihfest ist vor allem ein Volksfest und wird in der Umgebung von Daruvar grösstenteils zwei bis drei Tage ge­feiert. Zum tschechischen Kirchweihfest lädt man Verwandte und Bekannte von weit und breit. Das Kirmes-Mittagessen ähnelt stark in bezug auf Menge an Rohstoffen und halbfertigen Speisen, sowie auch in der Auswahl und Reihenfolge der Speisen dem Hochzeitsschmaus. Während die Sonntags-untcrhaltung beim Kirchweihfest für alle ist, gilt die am Montag abgehaltene sog. »goldene« oder »schöne Stunde« der ledigen Jugend, die »Nachbarnun­terhaltung« am Dienstag sodann den Verheirateten. Einst gehörten zur Kir­mesunterhaltung verschiedene Gebräuche und Gewohnheiten: Das Hahnköp­fen und Widderwerfen. Auch aus der Gegend von Daruvar existieren Beri­chte aus den dreissiger Jahren über ihre Veranstaltung. Es ist fraglich, ob wir bei diesen Gebräuchen von einer durch die Kolonisten hochgehaltenen Tradition oder von einer solchen Tradition sprechen können, die im patrioti­schen Streben nach Wiederbelebung »alttschechischer« Bräuche neuerliche eingeführt wurde, wozu die landsmannschaftliche Presse aneiferte.
Die Voradventszeit steht im gesellschaftlichen Leben der Tschechen um Daruvar in Verbindung mit der Abhaltung von »Altweiberbällen« und »Kat­harinenunterhaltungen«, die von den Frauen veranstaltet werden. Die Tradi­tion dieser Frauenunterhaltungen ist aus dem tschechischen Terrain bekannt. Ursprünglich waren diese Unterhaltungen eine reine Frauenangelegenheit, aber seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts lädt man zu den Altweiberbä­llen und Katharinenunterhaltungen auch Männer ein, denen sich so die Fra­uen für die Bewirtung und Partnerschaft beim Tanzen revanchieren, die ihnen im abgelaufenen Jahr bei verschiedenen Kirmes-, Faschings- und anderen Un­terhaltungen zuteil geworden war. Während die Altweiberbälle eine Angele­genheit der verheirateten Frauen sind, werden die Katharinenunterhaltungen von jungen ledigen Mädchen organisiert. Die Katharinenunterhaltungen und Altweiberbällc in der Gegend um Daruvar haben keine traditionellen Gebräu­che aufzuweisen, mit Ausnahme der Katharinenunterhaltungen in Končanica, die ihre fixe Ordnung und Organisation haben. Mit den Katharinenunterhal­tungen und Altweiberbällen endeten vor dom Zweiten Weltkrieg die Vergnü­gungen vor dem Advent und es begann die lange Fastenzeit, die bis zum Fa­sching andauerte. Heute gilt diese Beschränkung nicht mehr, dennoch aber finden die Katharinenunterhaltungen und Altweiberbälle weiter statt, wen­ngleich sie ihre ursprüngliche Funktion der letzten Vergnügungen der Herbst­zeit verloren haben.

Keywords

Hrčak ID:

39701

URI

https://hrcak.srce.hr/39701

Publication date:

25.11.1971.

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