Synthesis philosophica, Vol. 32 No. 1, 2017.
Preliminary communication
https://doi.org/10.21464/sp32104
Inkubation des Bösen: das Böse als Problem des menschlichen Denkens und der Praxis
Dario Vuger
orcid.org/0000-0001-6842-0579
; Ulica ruža 54, HR–10310 Ivanić Grad
Abstract
Auf der Spur von Hannah Arendts Reflexionen über die Verbrechen des Nazismus wird in der Arbeit das Verhältnis zum Phänomen des Bösen in der Moderne thematisiert, in welcher eine Reihe von Problemen identifiziert wird, die als Beitrag zur zukünftigen Untersuchung des Bösen als Problem der Praxis dienen können. Arendt schreibt über das Böse, konfrontiert mit dem Gerichtsprozess gegen einen der größten Nazi-Verbrecher, Adolf Eichmann, also dem Prozess, der die Theoretisierung des Bösen bis heutzutage belangreich beeinflusst hat. Zum ersten Mal wird das Böse konsequent in die Erörterung eingeführt, und zwar als ein Problem des Gewissens bzw. des inneren Dialogs als kontemplative Natur unseres Handelns, die uns zu Personen macht. Das Böse wurde in der Form, wie ihr Arendt begegnet, als banal geschildert, als Böses, welches der Mensch ohne den Gewissensappell antut, als ein Produkt des Nicht-Denkens. Dabei ist die Rede von einer bloßen Ausführung von Operationen, wobei das Böse global und der Akt selbst jedoch individuell ist. Ein derartiges Böses lässt sich ebenso als ein radikales Böses beschreiben, das durch die vollständige Assimilation von Individuen in das System der Produktion, der Bürokratisierung und der Industrialisierung geschieht, wo sich das Ich dem Willen eines unbekannt gebliebenen Prozesses ergibt. Heutzutage vollzieht sich das Böse nicht als Assimilation, sondern es wird aus dem Alltag ausgelagert. In diesem Horizont inkubiert sich das Böse in den Schauplätzen der Weltkonflikte und zeugt von sich selbst anhand der Medienrepräsentationen, die mittels suggestiver Politik Topografien des Bösen schaffen und uns durch ihre Etablierung von der Verpflichtung entbinden, eigene Handlungen im Rahmen der Grundzüge des Bösen und des Guten zu beobachten. Denn der Alltag ist der Operatoren beraubt, mit denen wir dies tun könnten, und zwar mit der Sicherheit, nicht auf den Diskurs des Konservativismus oder anderer selektiver Traditionen einzugehen, die nicht dem konkreten gesellschaftspolitischen Sein der Technosphäre, in der wir leben, entsprechen. Das Böse, nämlich, hat ein solides Fundament in der Metaphysik und ist sicherlich maßgeblich für die Diskussion über die Gerechtigkeit (gesellschaftliche Mystifikation des Guten) oder die Strafe (gerechtfertigtes Böses), allerdings bedeutet dies nicht, dass das Böse in einer kategorischen Bewegungslosigkeit außerhalb der Welt des Bewegten beginnt und endet. Das Böse ist der fluktuierende Punkt der Unruhe innerhalb der Freiheit, die wir geschaffen haben, um es zu vermeiden. In dem Augenblick, in welchem wir uns mit unserer unmittelbaren Geschichte auseinandersetzen, ist es notwendig, die Idee des Bösen als eines Phänomens zu erneuern, das ein unentbehrlicher Gegenstand jeglicher Praxis ist, welche die Überwindung konkreter Ungerechtigkeiten unserer weltgeschichtlichen geistigen Situation anstrebt.
Keywords
Böses; Hannah Arendt; Denken; Praxis; Inkubation; Auslagerung
Hrčak ID:
190381
URI
Publication date:
23.8.2017.
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