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Mulieris dignitatem — ein zweispeltiges Dokument

Ana-Maria Gruenfelder


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page 294-307

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Abstract

Mulieris dignitatem hat so viele widersprüchliche Urteile ausgelöst, dass eine methodisch-systematische Kritik unerlässlich ist.
Die methodische Kritik nimmt ihren ausgang vom leitenden Interesse, das dieses Apostolische Schreiben verfolgt, sowie von den Normen, die ihm zugrunde liegen.
Das Schreiben orientiert sich an den beiden Genesiserzählungen von der Erschaffung des Menschen. Aus dem Erzählungen von der Erschaffung »...nach dem Bild und Gleichnis Gottes... als Mann und Frau« leitet er sein Prinzip »gleiche Würde, verschiedene Berufungen« ab. Es geht ihm nicht um die Gegenueberstellung der Berufungen, sondern um die Erarbeitung dessen, was als die besondere Berufung der Frau bezeichnet wird: die Existenzweise der Frau in Mutterschaft und Jugenfräulichkeit, diese beiden sind von einer und derselben Person in je verschiedenem Grade, doch sich einander erfuellend, lebbar. Das Leitmotiv, das von Kommentatoren angesprochen würde, ist eine Antithese zum »Wuchern« des Feminismus zu bieten. »Feminismus«, wie er im Kommentar dargestellt würde, muss einer kritik unterzogen werden, da diese Definition von Feminismus nicht der heutigen kulturkritischen feministischen Theorie entspricht. Feminismus wird daher von mir definiert als kritische Theorie bestehender Verhältnisse, insoferne sie Frauen bevormunden und ihr »Subjektivitaet« verweigern definiert. Er ist die Theorie der heutigen »Frauenbewegung«, die durch Gesellschaftsveränderung diesen Anspruch von Frauen zu verwirklichen sucht. Die Methoden sind verschieden je nach Gesellschaftsordnung und den in ihr wirkenden Unterdrueckungsmechanismen. Nur insoferne bestehende Geschlechterbeziehungen in Familie und Gesellschaft die Eigneständigkeit der Frau in Frage stellen, werden diese kritisiert (Familie, Mutterschaft). Hier wird kritisch vermerkt, dass Mulieris dignitatem, ebenso wie seine Kommentatoren, nicht differenzieren.
Die Darstellung des Frauenbildes als »Ideal« und »Wesenheit« orientiert sich an den bekannten Polarisierungen von »männlich« und »weiblich«; insbesondere kommt zum Ausdruck das weibliche »Ruhen im sein«, »Sein« als »die« weibliche Existenzform, im Gegensatz zu männlichem »Tun«. In diesem ist denn auch nur der Mann aufgerufen: zum Schutz, zur Sorge. Dass auch »Frausein«, »Menschlichkeit« verwirklicht in »Weltverantwortung« bedeuten muesste, kommt im Dokument nicht zur Sprache; es ist ein weiterer kritikpunkt.
»Maria« als das Ideal der Weiblichkeit: eine grundsätzliche Kritik erfolgt gegen alle Ideale, die Illusion, die sie erzeugen, und die Enttaeuschung, die sie unvermeidlich zur Folge haben.
Meine Kritik richtet sich auch gegen Ideale als »Wegweiser«, denn Eingeständigkeit schliesst Ausrichtung an anderen menschlichen »Vorbildern« grundsätzlich aus. Maria als Ideal ist — sof erne sie theologisch gedacht wird, unerreichbar. Sie ist ja nicht die Vollkommene aus eigener Kraft, sondern ein Zeichen, das Gott gegeben hat — und dann für alle Menschen, nicht nur für Frauen. Die menschliche Persönlichkeit Marias verschwinet schliesslich hinter dem Geschehen, von dem die Evangelien kuenden.
Auch die botschaft und Praxis des irdischen Jesus richtet sich gegen menschliche Ideale. Sie werden geradezu ad absurdum gefuehrt durch sein Leben. Seine Botschaft richtet sich an reale Menschen, und unter ihnen gerade an jene, die nicht »Ideale« sein koennen. Freiheit, aber auch Unverfuegbarkeit sehe ich im Leben des irdischen Jesu verwirklicht. Freiheit und unverfuegbare »Exousia« wäre das Vermächtnis an die Gemeinschaft jener, die in seiner Erinnerung leben, und die damit unter seinem anspruch stehen. Dies schliesst Ortszuweisungen hier und da aus. Und dies ist »die« Kritik am Versuch dieses Apostolischen Briefes, den irdischen, sozialen Ort der Frauen festzuschreiben.

Keywords

Hrčak ID:

53272

URI

https://hrcak.srce.hr/53272

Publication date:

21.8.1989.

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