Synthesis philosophica, Vol. 21 No. 1, 2006.
Original scientific paper
Die Philosophie der Schule und der Welt. Kant und die deutsche Schulphilosophie im achtzehnten Jahrhundert
Endre Kiss
Abstract
Bei der umfassenden Thematik der Relation zwischen Philosophie und Pädagogik liefert die Philosophie von Kant ein ganz besonders reiches und vielschichtiges Beispiel für die Reflexion.
Kants Philosophie steht in einer dreifachen Beziehung zur im wahren und ursprünglichen Sinne genommenen Schulphilosophie. Erstens gilt der Gesamtkorpus der Kant’schen Philosophie als bewusste und kritische Überwindung der Leibniz-Wolff’schen Metaphysik (der umfassendsten und am intensivsten wirkenden Schulphilosophie seiner Zeit). Zweitens gilt die Kant‘sche Philosophie, auch wenn sie in diesem wahren Sinne des Begriffs selber keineswegs als Schulphilosophie aufgefasst werden kann, in ihrer spezifisch ausgearbeiteten Ausführung als Überwindung des Leibniz-Wolff’schen Systems auch als Schulphilosophie. Und drittens kann die Kant’sche Philosophie, auf ihre Art, versteht sich, auch als neue positive schulphilosophische Alternative gelten, für welche sie etwa durch ihre systematische, vollständige Ausführung der Problemkreise, der konsequent zur Geltung gebrachten hermeneutischen und didaktischen Aspekte oder durch die vollständige sprachliche Kohärenz wie prädestiniert ist.
Unter diesem Aspekt unterscheidet sich die Relation Kants zum Leibniz-Wolff’schen System von derselben bei Schelling oder eben Hegel. Hegel geht auch regelrecht auf die vielfache historische Bedeutung dieser gewaltigen Schulphilosophie ein, auf einer ähnlichen Linie hebt Schelling sogar hervor, dass selbst noch die Fehler dieser Schule von unvergleichlichem Nutzen für die Philosophie waren, weil es ohne sie zu keiner späteren Blütezeit der Philosophie hätte kommen können. Für Kant bedeutet diese umfassende Schulphilosophie weder die Vergangenheit noch den Gegenpol, aber auch nicht die niedrige Stufe der hohen Philosophie, für ihn bedeutet diese große Schulphilosophie einen denkerischen Rahmen, der einerseits in jeder seiner Einzelheit transformiert werden muss, während die neue hohe Philosophie andererseits den Rahmen der Schulphilosophie bei ihrer Konstitution in Anspruch nehmen muss.
Dies ist nur möglich, weil das Bedürfnis nach Philosophie zwar nicht identisch mit dem nach Schulphilosophie ist, es in breiten Flächen aber tatsächlich abdeckt.
Keywords
Schulphilosophie; das Leibniz-Wolff’sche System; das philosophische Bedürfnis; Glaube; Meinung; Wissen; philosophische Erziehung
Hrčak ID:
5915
URI
Publication date:
3.7.2006.
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